ESM-Start mit Lug und Trug?

Ein Dokument der völkerrechtlich verbindliche Erklärung, gemäß den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zum ESM-Vertrag, unterschrieben von den autorisierten Vertretern der ESM-Mitgliedsländer wurde zwar angekündigt, ist aber weder im Web noch auf den Seiten der Bundesregierung zu finden. Gibt es ein solches Dokument überhaupt?

In der Pressemitteilung „Der ESM nimmt seine Arbeit auf“ vom 8.10.12 des Bundesfinanzministeriums heißt es: „Am 8. Oktober 2012 sind die 17 Finanzminister des Euro-Währungsgebiets zur konstituierenden Sitzung des ESM-Gouverneursrates zusammengekommen, womit der ESM seine operative Arbeit aufgenommen hat…“
Weiter im Text heisst es: „Durch die Unterzeichnung der entsprechenden Urkunde durch Bundespräsident Joachim Gauck und die Hinterlegung der Urkunde beim Ratssekretariat als Depositar des ESM-Vertrags ratifiziert Deutschland als vorletzter Staat des Euroraums den ESM-Vertrag.“
Welche Urkunde genau mit „entsprechende Urkunde“ gemeint ist, wird nicht erläutert.
In der Pressemitteilung einschliesslich einer Chronik ist von „gemeinsamer interpretativer Erklärung“ die Rede. Der Inhalt der Erklärung kann zwar der Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums vom 26.9.2012 entnommen werden.
Ein Dokument, unterschrieben von den autorisierten Vertretern der ESM-Mitgliedsländer wurde zwar angekündigt, ist aber weder im Web noch auf den Seiten der Bundesregierung, siehe auch hier oder Bundestag, oder Bundesfinanzministerium zu finden. Gibt es ein solches Dokument überhaupt?
Oder existiert lediglich eine „gemeinsame interpretative Erklärung“ ausschliesslich von deutscher Seite, in Bezug auf das Einvernehmen, dass am Rande der informellen Eurogruppensitzung am 14. September 2012 in Nikosia mit den europäischen Partnern erzielt wurde, mit dem Inhalt der Erklärung, wie in der Pressemitteilung vom 26.9.12 siehe unten, aufgeführt?
Warum wird das Originaldokument nicht veröffentlicht?

Klärungsbedarf zur Umsetzung der ESM-Auflagen sieht auch Die Linke im Bundestag
„Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hält die Bundesregierung eine „interpretative Erklärung“ der Finanzminister der Mitgliedsstaaten der Eurozone für eine hinreichende Maßnahme, die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts völkerrechtlich sicherzustellen?
2. Genügt eine derartige gemeinsame „interpretative Erklärung“ insbesondere, um „deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass (die Bundesrepublik Deutschland) an den ESM-Vertrag insgesamt nicht gebunden sein kann, falls sich der von ihr geltend gemachte Vorbehalt als unwirksam erweisen sollte“?
3. Reicht es nach Auffassung der Bundesregierung insbesondere aus, dem Deutschen Bundestag die „interpretative Erklärung“ zur Kenntnis zu geben? Ist insofern nicht – wie bei jeder Vertragsänderung – die Billigung durch Zustimmungsgesetz nach Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes erforderlich?
4. Bedarf es bei dem neuen ergänzenden Zustimmungsgesetz ebenfalls einer Mehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat? …“
Zur Quelle Bt-Drs17-10828

Status der ESM-Ratifizierung: ESM noch nicht in Kraft. 26.9.2012
Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag und Bundesrat die gemeinsame Erklärung der ESM-Vertragsstaaten vor der Beschlussfassung vorgelegt und das Verfahren bis zum Inkrafttreten des ESM-Vertrages erläutert.
Die Bundesregierung ist überzeugt, durch die gemeinsame Erklärung den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts umfassend Rechnung zu tragen und so den ESM-Vertrag baldmöglichst in Kraft setzen zu können.
Am Rande der informellen Eurogruppensitzung am 14. September 2012 in Nikosia wurde mit den europäischen Partnern Einvernehmen darüber erzielt, dass alle die gleiche Interpretation des ESM-Vertrags teilen und dies in einer verbindlichen gemeinsamen interpretativen Erklärung nochmals dokumentieren wollen.
Die völkerrechtliche Umsetzung der Klarstellung soll nun durch eine gemeinsame interpretative Erklärung aller ESM-Vertragsstaaten erfolgen. Damit schaffen die ESM-Vertragsstaaten die vom Gericht geforderte Auslegungsklarheit. Mit der Erklärung wird der ESM-Vertrag nicht geändert und es werden keine neuen Ratifizierungserfordernisse ausgelöst.
Die gemeinsame Erklärung der ESM-Vertragsstaaten wird nach Annahme durch die Botschafter der ESM-Vertragsstaaten und Hinterlegung beim Ratssekretariat völkerrechtlich verbindlich. Erst wenn die gemeinsame Erklärung der ESM-Vertragsstaaten hinterlegt ist, wird die Bundesrepublik den Ratifizierungsprozess durch Hinterlegung der vom Bundespräsidenten unterzeichneten Ratifikationsurkunde unter Bezugnahme auf die gemeinsame Erklärung abschließen.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums vom 26.9.2012

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