„Ich komme zu einer Rede des Bundespräsidenten, die er am 24. August 2011 gehalten hat. An diesem 24. August hat er gesagt: Politik muss ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Sie muss sich endlich davon lösen, hektisch auf jeden Kursrutsch an den Börsen zu reagieren. Sie muss sich nicht abhängig fühlen und darf sich nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen, von Banken, von Ratingagenturen … Eine härtere Kritik eines Bundespräsidenten an einer Regierung und einer Koalition habe ich selten gehört.“
„Wir haben es mit einer Systemkrise zu tun, mit einer Diktatur der Finanzmärkte. Die großen privaten Banken, Fonds, Versicherungen und Hedgefonds machen vor nichts Halt, reißen alle noch bestehenden Dämme nieder und brechen sämtliche Tabus. Sie (Frau Merkel und Herr Rösler) haben nicht die Kraft und den Mut, endlich etwas dagegen zu tun. Das ist aber dringend erforderlich.“
„Es sind nicht die Linken, sondern die Finanzmärkte, die den Kapitalismus von innen heraus zerstören. Die Ratingagenturen stürzen inzwischen sogar Regierungen, wie in Irland und Portugal. Niemand regt sich darüber auf. Früher gab es einmal ein Wahlrecht der Bevölkerung; heute läuft das völlig anders ab. Wir haben es – auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen – mit einer Krise der Demokratien weltweit zu tun, weil wir von den Finanzmärkten diktatorisch beherrscht werden.“
„Sie (Frau Merkel und Herr Rösler) zeigen unserer Bevölkerung, dass nicht Sie die Macht haben, sondern andere darüber entscheiden. Das ist wirklich eine Gefährdung der Demokratie. Bekommen Sie das endlich einmal mit!“
„Warum denken Sie nicht darüber nach, was Sie verändern müssten, wenn Sie wirklich in die Geschichte eingreifen wollen? Die Milliardäre und Superreichen treten jeden Tag im Rundfunk und im Fernsehen auf und sagen: Wir möchten gerne endlich einmal Steuern zahlen.“
(Volker Kauder (CDU/CSU): Nein, das sagen sie nicht! Mehr wollen sie zahlen!)
„Wenn Sie (Frau Merkel und Herr Rösler) schlau wären, würden Sie zur Erhaltung der Struktur den Spitzensteuersatz erhöhen und die Vermögensteuer wieder einführen. Sie hätten nicht einmal Widerstand von den Vermögensmillionären und -milliardären zu erwarten, aber Sie machen es nicht, weil Sie in Ihrer kleinkarierten Ideologie hängen, und nicht begreifen, welche Fragen auf der Erde und in Europa anstehen.
Wenn Sie mir das nicht glauben, dann nenne ich Ihnen zwei Zahlen. Die Staatsverschuldung in der Euro-Zone liegt bei 10 Billionen Euro. Die Millionäre der Euro-Zone haben ein Vermögen in Höhe von 10 Billionen Dollar. Erklären Sie das einmal den Menschen. In Deutschland haben wir eine Staatsverschuldung in Höhe von 2 Billionen Euro. Die Reichsten der Bevölkerung das sind 10 Prozent besitzen ein Vermögen in Höhe von 3 Billionen Euro. 1 Billion Euro mehr. Erklären Sie den Menschen, warum Sie sagen: Wir wollen von ihnen keinen halben Cent, keine Steuern, nicht einmal einen Euro. Nichts wollen Sie von den Reichen haben. So können Sie keine gerechten Verhältnisse herstellen. Die Verursacher müssen endlich für die Krise bezahlen, nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rentnerinnen und Rentner und die Arbeitslosen.“
„Ich glaube, dass Sie es bei den Banken, Fonds, Versicherungen und Hedgefonds maßlos überzogen haben. Deshalb sind wir jetzt in einer Krise. Wenn Sie mir nicht glauben, zitiere ich jetzt einmal ein paar andere Leute, also Erzkonservative, Neoliberale, keine Linken.
Nehmen wir einmal Charles Moore, britischer Erzkonservativer, Thatcherist, der einzige offizielle Autor einer Biografie von Maggie Thatcher. Er schreibt im Telegraph vom 22. Juli 2011: Die Reichen dieser Welt haben ein globales System organisiert, das … allein ihnen nützt. Die vielen Anderen haben zu arbeiten, um die Reichen noch reicher zu machen. Das sagt Moore, nicht Gregor Gysi. Moore würdigt plötzlich die Linken und sagt: Die haben recht. Manche haben gedacht, er meint die Labour Party. Daraufhin hat er sich geäußert: Nein, er meine auch nicht die neoliberalen Linken wie Blair, Schröder oder Fischer, die die ganze Deregulierung in den letzten Jahren organisiert haben, sondern er meine die wirkliche Linke.
Der Herausgeber der FAZ, Frank Schirrmacher, schreibt einen Artikel für das Feuilleton mit der Überschrift „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“. Warum schreibt er das? Er schreibt das, weil es plausibel ist. Das ganze politische System nutzt nur den Reichen und schadet den anderen.
Paul Kirchhof, ehemaliger Verfassungsrichter und einst bei Ihnen, Frau Merkel, hochgeschätzter Steuerexperte, beklagte die nahezu vollständige Abhängigkeit der Politik von den privaten Finanzmärkten. Zur Griechenlandkrise bemerkt er, dass nicht Solidarität mit den Griechen herrsche, sondern ausschließlich mit den Banken.“
„Das Erste, was passieren muss, ist dies: Die Banken müssen auf ihre eigentlichen Funktionen zurückgeführt werden. Sie sind Dienstleistungsunternehmen für Unternehmen und für Privatpersonen und nichts anderes. Wir brauchen keine Leerverkäufe, wir brauchen keine Hedgefonds. Sie müssen das endlich regulieren. Haben Sie einmal den Mut, sich Ackermann gegenüberzustellen und zu sagen: Schluss, wir machen das jetzt anders. Wir sind die demokratisch gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter.
Wir müssen die großen privaten Banken dezentralisieren und öffentlich-rechtlich gestalten. Ich weiß, dass Sie sagen: Die Landesbanken haben auch nicht funktioniert.
(Zuruf von der FDP: Das ist ein gutes Beispiel!)
Das stimmt, und die Landesbanken, die pleitegingen, waren alles Banken aus CDU-regierten Ländern. Davon einmal abgesehen, kann ich Ihnen den Fehler nennen. Sie sind pleitegegangen, weil man den Landesbanken gesagt hat: Ihr müsst spekulieren wie die großen privaten Banken. Daran sind sie zugrunde gegangen.
Erst regulieren, dann öffentlich-rechtliche Institutionen schaffen.
Die Sparkassen sind nicht unser Problem. Ganz im Gegenteil, in Brüssel hat man immer über die Sparkassen gemeckert. Jetzt sagt man dort kein Wort mehr, weil die Sparkassen in der Krise tapfer und gut standen; eben weil sie öffentlich-rechtlich waren und nicht weltweit spekuliert haben. Wir brauchen in der Euro-Zone eine Bank für öffentliche Anleihen, die zu günstigen Zinsen Kredite an Staaten vergibt. Dort können dann auch die Euro-Bonds, über die ich gesprochen habe, gehalten werden. Euro-Bonds würden den Euro natürlich stabilisieren. Sie können keine Binnenwährung einführen. Wir haben dagegen gestimmt. Sie wollten die Binnenwährung von Griechenland bis Deutschland. Nun haben wir sie, jetzt müssen wir sie auch retten, aber nicht dadurch, dass wir das wie Sie nicht zur Kenntnis nehmen, sondern dadurch, dass wir ernst nehmen, dass es sich um eine Binnenwährung handelt.“
„Die ganze Welt steht vor einer tiefen Rezession. Die Börsen spielen verrückt, und Ihr einziges Rezept ist Sparen.“
„Was machen Sie mit Griechenland? Was machen Sie mit den anderen Ländern?
Sie fordern Lohnkürzungen und die Kürzungen von Renten und Sozialleistungen sowie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Das ist all das, was Sie in Deutschland schon eingeführt haben. Sie fordern die Streichung von Investitionen und Billigverkäufe von öffentlichem Tafelsilber. Das ist Ihr Rezept. Sagen Sie mir einmal, wie Griechenland auf diese Art und Weise Steuern einnehmen soll. Sie führen dort alles zurück. Die Griechen dürfen nichts mehr investieren.
Sie (Frau Merkel und Herr Rösler) setzen dadurch all das Geld in den Sand.“
Text der vollständigen Rede Vollständige Rede auf youtube
Industrielle melden sich gegen die Spekulation zu Wort.
Wetten gegen den Euro, dubiose Finanzkonstrukte und Spekulationen ohne Risikobewusstsein: Die Manager von deutschen Top-Unternehmen rechnen mit den Praktiken der Finanzwirtschaft ab – in ungewohnt deutlichen Tönen.
Bosch-Chef Franz Fehrenbach hat sich am 5. September deutlich gegen die Vorherrschaft der Spekulanten in der Finanzwirtschaft ausgesprochen. Er ist damit nicht allein. Siehe hier im Handelsblatt
Offen plädiert der Bosch-Chef dafür, den Banken Ketten anzulegen. „Wenn ich den Finanzsektor zu regulieren hätte, dann würde ich die Universalbanken abschaffen und viele Finanztransaktionen verbieten, die nichts mehr mit realen Geschäften zu tun haben“, sagte Fehrenbach. Es bringe aber nichts, wenn dies nicht in größerem Rahmen geschehe. Wenn Europa allerdings voran ginge, wäre dies ein Signal. „Zudem würde ich die Eigenkapitalunterlegung der Banken erhöhen.“
Unterstützung bekommt er dabei von Heraeus: „Wenn zum Beispiel Leerverkäufe verboten werden, finde ich das sehr vernünftig. Schauen Sie, wie mit großen Summen gegen Währungen einzelner Staaten spekuliert wird, ohne dass hinter diesen Geschäften irgendetwas an realen Werten steckt. Das ist nicht nur unglaublich. Das ist vor allem schädlich.“