Acht Monate seit der Verfassungsklage gegen ESM, Fiskalpakt sowie trickreicher Umgehung der „No-Bailout-Klausel“ und fünf Monate seit der vorläufigen Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht das Hauptverfahren noch immer aus.
Das ist ganz besonders erstaunlich hatte doch Anfang Juli 2012 Bundesfinanzminister Schäuble das oberste Gericht unter Druck gesetzt. Er sprach von schwerwiegenden Konsequenzen, falls das Bundesverfassungsgericht den Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt stoppt oder verzögert. Ein Stopp des Rettungsschirms könnte zu „erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen mit nicht absehbaren Folgen“ für die Bundesrepublik führen. So könne es zu einer verstärkten Spekulation über den Austritt einzelner Staaten aus dem Euro kommen. Die Refinanzierungskosten würden steigen, so Schäuble. Allerdings im deutlichen Widerspruch zu Bundesbankpräsident Jens Weidmann und der Realität. Nichts von Schäubles dramatischer Schwarzmalerei während des zweimonatigen Stopps hat sich bestätigt, trotz der kaum mehr nachvollziehbaren immer noch andauernden Verzögerung des Hauptverfahrens. Denn neben den Eilentscheidungen vom September 2012 sind noch viele Fragen offen geblieben.
Die Verschuldung wie die Milliardenhaftung wächst weiter, die ungeklärten Rechtsverhältnisse drängen.
Ganz besonders der Grundsatzbeschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 6. September 2012, künftig wieder Staatsanleihen notleidender EU-Staaten am Finanzmarkt zu kaufen. Dieser Beschluss kollidiert im Grunde mit der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts. Karlsruhe hatte den Ankauf in früheren Entscheidungen für unzulässig erklärt. Das Verfassungsgericht wird kaum hinter seine bisherige Rechtsprechung zurück können und die Anleihekäufe mutmaßlich erneut für unzulässig erklären. Früher konnte die Bundesregierung damit ganz gut leben, weil die Ankäufe unabhängige Entscheidungen der EZB waren. Das aber hat EZB-Chef Mario Draghi mit dem Beschluss vom 6. September geändert. Er verknüpfte künftige Anleihekäufe eng mit dem ESM und damit mit der Politik. Draghi besteht nämlich darauf, dass EZB und ESM gemeinsam Anleihen kaufen. Schon allein das kommt der Regierung ungelegen. Mitten im Wahlkampf könnte die Zahl jener Abgeordneten leicht zunehmen, die sich aufgrund der ihnen aus der Bevölkerung entgegenschlagenden Stimmung dieser Politik verweigerten.
Kritik an den „Rettungs“- Maßnahmen
Mit Einführung des EU-Rettungsschirmes wurde gegen wesentliche Grundsätze der Währungsunion verstoßen: -Unabhängigkeit der Zentralbank -kein Ankauf von Staatsanleihen -Verstoß gegen die „No-Bailout-Klausel“. Nach geltendem EU-Vertrag darf die Europäische Union und ihre Mitgliedsländer verschuldete EU-Länder gar nicht unterstützen. Mit der „No-Bailout-Klausel“ (heute Artikel 125 AEU) wurde der Union sowie allen Mitgliedsländern die Haftung für Verbindlichkeiten eines Krisenstaats eindeutig untersagt. Deshalb wurde eine Änderung des AEU-Vertrags vereinbart. Dabei soll zwar die No-Bailout-Klausel unangetastet bleiben, aber Art. 136 AEU-Vertrag um einen Absatz erweitert werden, der ausdrücklich die Einrichtung eines dauerhaften Stabilitätsmechanismus durch die Staaten der Eurozone ermöglicht! Beschluss Europäischer Rat vom 16./17. 12. 2010. (Eine Änderung des EU-Vertrags direkt lehnte Großbritannien erfolgreich ab)…
Mehr auf Kritik an den „Rettungs“- Maßnahmen
Siehe auch
Euro-Rettung – Karlsruhe zögert mit endgültigem ESM-Urteil
Welt, 5.10.12, von Günter Lachmann. EZB und ESM sollen gemeinsam Staatsanleihen kaufen. So will es EZB-Chef Draghi. Ein Urteil des Verfassungsgerichts im Hauptverfahren zu ESM- und Fiskalpakt-Verfassungsklagen steht aus…
Bundesbankpräsident kritisiert EZB – Jens Weidmann sieht Ursachen der Eurokrise nicht beseitigt
ntv, 29.12.2012. Bundesbank-Chef Weidmann warnt vor einem Nachlassen im Kampf gegen die Schuldenkrise: Die Ursachen der Euro-Krise seien noch lange nicht beseitigt. Der Konflikt zwischen Weidmann und EZB-Chef Draghi wird immer offensichtlicher – vor allem wenn es um die drohende Inflation geht… Weidmann bekräftigte seine Kritik am Kurs der EZB, notfalls unbegrenzt Anleihen von hochverschuldeten Euro-Staaten zu kaufen….
EZB Jürgen Stark: Irland-Rettung durch die EZB war Vertragsbruch
DMN, 17.02.13. Eine direkte Staatsfinanzierung Irlands durch dessen Zentralbank dürfe es nicht geben, so der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark. Genau dazu sei es aber bereits gekommen. Stark erkennt einen Verstoß gegen das Mandat der EZB: Die irische Zentralbank halte „die in Staatsanleihen umgewandelten Schuldscheine, womit eine Staatsfinanzierung durch die Notenbank erfolgt. Dies ist nach Artikel 123 des EU-Vertrages verboten”, heißt es in einem Gastbeitrag von Stark in der Welt. …
Staatsverschuldung in Deutschland – Bundesrat stoppt Fiskalpakt, Merkel unter Druck
Focus, 1.3.2013. Der Bundesrat verhindert mit seinem Nein die Umsetzung des Fiskalpakts. … Am Freitag stoppte die Länderkammer mit der Mehrheit der von Rot und Grün geführten Bundesländer ausgerechnet die Umsetzung von Merkels Lieblingsprojekt: den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin.
Irischer Abgeordneter klagt gegen ESM
Deutschlandfunk, 8.10.2012. Von Martin Alioth. Er befürchte, dass der ESM zur Rettung von Banken benutzt werde, dass also die Bürger für deren Fehler bezahlen müssten. In Irland ist das bekanntlich schon in spektakulärem Umfang geschehen: Der irische Steuerzahler hat bisher 64 Milliarden Euro in die einheimischen Banken gepumpt. Pringle will verhindern, dass das zur europäischen Regel wird …
EuGH schmettert irische Klage gegen dauerhaften Rettungsschirm ESM ab
Südd.Z., 27.11.2012. Die Richter in Luxemburg sprachen sich gegen die Bedenken des 45-Jährigen [Pringle] aus. Das EU-Recht stehe dem ESM nicht entgegen, teilte der EuGH mit… Die Luxemburger Richter mussten klären, ob ein vereinfachtes Verfahren ohne Volksabstimmung ausreichend war, um das sogenannte Bail-Out-Verbot im Vertrag einzuschränken und den ESM auf dieser Grundlage durchzusetzen…
Schäuble warnt Verfassungsgericht vor Erfolg der ESM-Kläger
Zeit, 10.Juli 2012. Zu Beginn der Eil-Verhandlung warnte Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) vor schwerwiegenden Konsequenzen, falls das Bundesverfassungsgericht den Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt stoppt oder verzögert.
Verfassungsgericht spielt auf Zeit
Handelblatt, 10.7.2012. Dagegen hatte Finanzminister Schäuble vor schwerwiegenden Konsequenzen gewarnt. Sehr viel weniger dramatisch äußerte sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Ein Abschätzen der Folgen bei einem einstweiligen Stopp des Euro-Rettungsschirms ESM sei „höchst spekulativ“. Die Finanzmärkte hätten ein verspätetes Inkrafttreten des ESM bereits „teilweise eingepreist“…