EuGH-Gutachten kein Freibrief für EZB

Von den Medien wird das Gutachten als Freibrief für EZB-Anleihenkäufe verkauft. Damit wird m.E. der Entscheidung für „Staatsanleihenkäufe im großen Stil“ zu voreiligen und unverantwortlichen Anleihenkäufen der EZB Vorschub geleistet.

Gegensteuern von Bundesbank und BVerfG ist dringend erforderlich, um ein „verantwortungsloses Fakten schaffen“ zu verhindern. Italien drängt bereits zu Anleihenkäufen.
Voreilig mit einem umfangreichen Staatsanleihe-Kaufprogramm schier unumkehrbare, vollendete Tatsachen zu schaffen, ohne die ausstehenden Urteile des EUGH und abschließend des BVerfG zu berücksichtigen, wäre eine ungeheuerliche Missachtung des Rechts. Schließlich verbietet „Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ der EZB den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln. „Dieses Verbot ergibt nur dann Sinn, wenn die Verantwortlichen es nicht durch umfangreiche Aufkäufe am Sekundärmarkt umgehen.“ So auch der frühere Bundespräsident Wulff, der frühere
EZB – Chefvolkswirt Stark, der frühere Bundesbankchef Weber wie der amtierende Bundesbankpräsident Jens Weidmann sowie zahlreiche Experten des Finanzmarktes und der Politik.

Im Gutachten wie auch in den Medien wird immer wieder darauf abgehoben, dass bisher kein einziger Anleihekauf der EZB ausgeführt wurde. Oftmals wird dabei in den Medien weg gelassen, dass das nur für das OMT-Programm zutrifft. Zuvor jedoch, zwischen 2010 und 2012, kaufte die EZB Staatsanleihen im Wert von rund 210 Milliarden Euro im Rahmen des SMP-Anleihekaufprogramms. Italien (mit 50 Prozent Anteil) und Spanien waren die größten Nutznießer. Papiere im Wert von 134 Milliarden Euro sind noch immer im EZB-Besitz. Die EZB hatte im Mai 2010 spontan ein Anleihekaufprogramm beschlossen, zunächst Griechenland und dann Irland und Portugal. Im Sommer 2011 folgten Spanien und Italien. Die Konditionen des „Securities Market Programme (SMP)“ blieben weitgehend im Dunkeln.

Ich halte es für eine Unverfrorenheit, wenn der Spanier Cruz Villalón als EUGH-Gutachter den obersten Gerichten, EUGH und BVerfG (Siehe unten Vorgeschichte Klage beim BVerfG gegen ESM und EZB-Anleihekäufe), die Kompetenz abspricht, über Staatsanleihekäufe der EZB ein Urteil zu fällen: „Die Gerichte haben ihre Kontrolle der Tätigkeit der EZB mit einem erheblichen Maß an Zurückhaltung vorzunehmen, da ihnen die Spezialisierung und Erfahrung fehlen, die die EZB auf diesem Gebiet besitzt.“
Auffällig in Cruz Villalóns Gutachten ist auch der Versuch, die klare und eindeutige Entscheidung von 2012 des Italiener Draghi als EZB-Chef unbegrenzte Anleihekäufe durchführen zu wollen, mit vielen Worten zu zerreden.
Für mich ist es offensichtlich, dass mit dem geplanten neuen QE-Anleihekaufprogramm der EZB ein rechtlicher Bezug zum OMT-Kaufprogramm des EuGH-Urteils vermieden werden soll.
Meiner Auffassung nach hat sich der Gerichtshof nicht allein auf das OMT-Programm zu begrenzen, sondern hat auch grundsätzlich auf die hoch umstrittenen Staatsanleihekäufe der EZB mit all ihren Auswirkungen und Gefahren einzugehen. So ganz nebenbei wechselt mit dem Kauf von Anleihen und anderer Papiere, wie sie zum Beispiel im QE-Programm geplant sind, das Verlustrisiko der oft hoch spekulativen Anlagen von der jeweiligen Bank oder privatem Anbieter auf die EZB und damit zu den Steuerzahlern. Für die EZB besteht eine sehr hohe Gefahr zur Bad Bank zu verkommen und das zu Lasten der Steuerzahler.

 

EUGH Gutachten (deutsch) – Schlussanträge des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón 14.Januar 2015

Was darf die EZB? (gemäß EUGH-Gutachten)? NachDenkSeiten, 15.Januar 2015
a) EZB darf den Euro retten, aber muss Troika verlassen Sven Giegold
b) „Freibrief für die EZB“ Handelsblatt
c) Bisherige EZB-Politik widerspricht EU-Recht Linksfraktion

EuGH winkt EZB-Anleihekäufe durch  Börsen-Zeitung, 15.1.2015
Doch über OMT (Outright Monetary Transactions) hinaus gibt der EuGH die Linie vor, welche Möglichkeiten die EZB in ihrer Geldpolitik grundsätzlich hat…
Auf die Frage, was die Schlussanträge (EuGH-Gutachten) für breit angelegte Staatsanleihekäufe im Zuge eines Quantitative Easing (QE) bedeuten, sagte Mersch, bei dem Verfahren gehe es nur um OMT. …
Viele Beobachter werteten die Ausführungen des Generalanwalts allerdings als klares grünes Licht für ein QE. „Mit dem Antrag des Generalanwalts dürfte nun auch die letzte Hürde für ein weiteres Ankaufprogramm der EZB beiseitegeräumt sein“, hieß
es beispielsweise von den Analysten der Nord/LB. Viele erwarten einen solchen Beschluss nun bereits für den 22. Januar.

EuGH-Gutachten über Anleihekäufe EZB darf Staatsanleihen kaufen, aber…  14.1.2015

Anleihekäufe durch die EZB – EugH-Gutachter stellt Draghi Freibrief aus  14.01.2015

Italiens Notenbankchef fordert Riesen-Anleihen-Käufe 11.01.2015 Focus

EZB will notfalls gegen deutsche Bedenken Märkte fluten   4. Dezember 2014 Reuters

Ruf nach Anleihenkäufen – Südeuropäer fordern Staatsfinanzierung von der EZB

Grünes Licht für EZB-Staatsanleihenkäufe  14.1.2015 Der Standard

Vorgeschichte EuGH-Urteil: ESM – Geld regiert die Welt …und das Recht  14. April 2014 Klage beim BVerfG gegen ESM und EZB-Anleihekäufe. Vorlage der EZB-Klage des BVerfG beim Eu-GH

EZB-Rat beschließt unbegrenzte Anleihekäufe – Auch Infos zu SMP-Anleihenkäufe

EZB entzieht Geldmarkt 208,5 Milliarden Euro

Securities Markets Programme
Zum 31. Dezember 2012 machten italienische Papiere nominal knapp die Hälfte des Gesamtvolumens (218 Mrd. Euro nominal, Buchwert 208,7 Mrd. Euro) aus, gefolgt von spanischen (20 %) und griechischen (16 %). Zum 31. Januar 2014 betrug der Bestand der im Rahmen des Programms aufgekauften Wertpapiere noch knapp 176 Mrd. Euro

 

Kritik an EZB-Anleihenkauf

Kritik an den „Rettungs“- Maßnahmen
24.08.2011. Bundespräsident Christian Wulff hat die Europäische Zentralbank wegen des Ankaufs von Staatsanleihen *kritisiert. Er halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die EZB für „politisch und rechtlich bedenklich“. Der Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbiete der EZB den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln, um die Unabhängigkeit der Notenbank zu sichern. „Dieses Verbot ergibt nur dann Sinn, wenn die Verantwortlichen es nicht durch umfangreiche Aufkäufe am Sekundärmarkt umgehen.“ Siehe auch Kapitel 5
Chefvolkswirt Jürgen Stark verlässt die Europäische Zentralbank, er sieht ihre Unabhängigkeit gefährdet und warnt vor der Gefahr der Inflation. Stark gehört seit Monaten zu den heftigsten Kritikern der Staatsanleihenkäufe, mit denen die EZB seit Mai 2010 EU-Schuldenländer stützt. Die Schuldenkrise wird binnen weniger Monate für den zweiten deutschen Top-Notenbanker zum Stolperstein, in diesem Jahr war bereits Bundesbankchef Axel Weber zurückgetreten.
Siehe auch „Verantwortungsvolle und deutliche Warnungen des Gauck-Vorgängers Bundespräsident Wulff zur EU-Finanzkrise“

Wirtschaftsexperten warnen EZB vor Anleihenkauf
Mayer: „Statt die Gewinne zu investieren, müssten die Betriebe sie in die Rückstellungen zur Finanzierung der Altersversorgung stecken. Draghi könnte der Konjunktur schaden statt sie anzukurbeln.“
Hans-Werner Sinn, ifo Institut:
Die EZB sollte keine Staatspapiere kaufen, denn dann würde sie die Zinsen der Wackelstaaten weiter drücken und sie anregen, sich noch mehr zu verschulden. Der Kauf wird von Artikel 123 des EU-Vertrages zu Recht verboten ..
Marcel Fratzscher, DIW:
„Die EZB verfehlt ihr Mandat der Preisstabilität und ist dabei, ihr wichtigstes Gut zu verlieren: ihre Glaubwürdigkeit.
Michael Heise, Allianz Group:
Ich sehe derzeit keine Deflationsgefahren, die Staatsanleihekäufe rechtfertigen könnten. …
Holger Schmieding, Chefvolkswirt Berenberg Bank:
In dieser Lage muss die EZB mit einer Offenmarktpolitik gegenhalten, also mit dem Kauf von Anleihen auf dem offenen Markt, der auch Staatsanleihen umfassen sollte.
Volker Wieland, Sachverständigenrat:
… den Regierungen zusätzlichen Anreiz gäbe, notwendige Strukturreformen aufzuschieben.

Die Begründung für Staatsanleihenkäufe von Euroländern ist „langfristige Zinsen in Europa drücken um die Wirtschaft und die Inflation anzukurbeln“.
Wir haben aber bereits seit über einem Jahr ein dramatisch niedriges Zinsniveau, allerdings ohne merkbare positive Einflüsse auf die Wirtschaft. Dafür aber Zinsverluste bei Sparanlagen, Lebensversicherungen und privater Altersvorsorge!
Wie weitere Senkungen des Zinses, der schon nahe bei Null ist, zu besseren Wirtschaftsergebnissen führen soll, erschliesst sich wohl nur neoliberalen Wirtschafts- und Finanzexperten, Draghi, Junckers und ihren EU-Vasallen.
Nichts als Seifenblasen sagt einem der gesunde Menschenverstand. Dummheit glaube ich nicht, dann wohl eher ganz andere Ziele: Spekulationsverluste sozialisieren?
Und die Medien schweigen…

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Sündenfall der EZB? Eine kritische Betrachtung der Staatsanleihenkäufe der EZB   bpb 27.2.2012. Im Zuge der Rettungspakete für die Eurozone hat die EZB im Mai 2010 beschlossen, Staatsanleihen angeschlagener Eurozonenländer aufzukaufen im Rahmen von „Securities Markets Programme (SMP)“. Nachdem das SMP seit Sommer 2010 nahezu stillgelegt war, kam es im Sommer 2011 zu einer Reaktivierung und hat mittlerweile (23.01.2012) ein Kauf-Volumen von 219 Mrd. € erreicht. Sie ist damit zu einer „Bad Bank“ verkommen, kritisieren Ansgar Belke und Florian Verheyen. Ebenfalls große Gefahren lauern in den Sicherheiten, die die EZB als Pfand annimmt. Die EZB und damit ihre Eigentümer, letztendlich also zu großen Teilen Deutschland und andere besser bewertete Euroländer müssen gemäß ihren Kapitalanteilen am Grundkapital der EZB haften und bei Bedarf sogar Kapital in die EZB nachschießen, was deren finanzielle Abhängigkeit von den Regierungen erhöht.

Die Versprechen der Euro-Retter: Wie versprochen – so gebrochen  DWN, 14.09.13

Falsche Versprechen – Die haltlosen Euro-Zusagen der Politiker und Zentralbanker

 

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